Ist eine schmerzfreie Geburt das Ziel des Hypnobirthing?
Immer wieder wird eine schmerzfreie Geburt als Ziel der mentalen Geburtsvorbereitung und ganz konkret des Hypnobirthings genannt – sei es in Kursbeschreibungen oder auch in medialen Artikeln.
Die absolute Kurzversion dieses Beitrags wäre:
Doch lass uns ein wenig genauer hinsehen.
Die Faszination der schmerzfreien Geburt
Vielleicht fragst auch du dich, ob es mit Unterstützung von Hypnobirthing oder anderen Ansätzen der intensiven, (auch) mentalen Geburtsvorbereitung möglich ist, eine schmerzarme oder schmerzfreie Geburt zu erleben. (Ganz kurz: Ja, das ist es – allerdings nicht für jede Gebärende und jede Situation.)
Verständlicherweise bleiben viele Menschen an dieser Frage „hängen“ – doch warum ist das so?
Ich glaube nicht, dass es dabei einzig und allein um den Wunsch geht, Schmerzen so weit wie möglich zu vermeiden (was auch bedeuten würde, dass wir v.a. darauf schauen, was wir NICHT wollen – und das funktioniert selten gut…).
Die Idee und Vorstellung einer schmerzfreien oder schmerzarmen Geburt scheint uns zutiefst zu faszinieren – denn die meisten von uns haben ein vollkommen anderes Bild der Geburt „erlernt“ – nämlich, dass sie fast unausweichlich das schmerzhafteste Ereignis im Leben der Mehrheit der Frauen darstellt. Oft wird die Geburt sogar zum Vergleich als schlimmstmögliches Schmerz-Ereignis herangezogen. (Autsch! Das tut mir jedes Mal wieder in der Seele weh. Wer möchte schon mit diesem Rucksack in die Geburt gehen??)
Also fragen wir uns: Was mag das wohl für ein Zaubermittelchen sein, das uns von dieser Last (der Erbsünde – auch das haben viele von uns unbewusst verinnerlicht) befreit? Auch, wenn es in diesem Beitrag darum gehen wird, warum die Erwartung einer schmerzfreien Geburt meist wenig hilfreich ist, liegt in dieser Frage doch ein positiver Aspekt verborgen.
Geburt darf faszinieren!
Denn fasziniert dürfen und sollten wir in Bezug auf die Geburt tatsächlich sein! In ihr fließen hochkomplexe Vorgänge zusammen – die wir bislang nur teilweise verstehen – und setzen eine immense Kraft in uns und unserem Körper frei. Diese Erfahrung hat das Potenzial, uns unglaublich und nachhaltig zu bestärken, oder aber zu belasten. Daher verdient sie alle Aufmerksamkeit und Vorbereitung, die möglich sind.
Wenn das Hypnobirthing und die Idee der Schmerzfreiheit Türöffner für Faszination und Hinwendung sein mögen – sehr gerne! Wichtig ist nur, dass wir hinderliche Erwartungen und Vorstellungen in ein hilfreicheres Licht rücken.
Und dafür werden wir nun konkret.
Aber…ist es denn nun möglich?
Fakt ist:
In beiden Fällen werden dabei intensive Empfindungen wahrgenommen, die die Frauen jedoch nicht als (belastenden) Schmerz spüren. Da dies für manche kaum vorstellbar scheint, kommt es leider vor, dass den Frauen ihre Erfahrung abgesprochen wird.
Wozu von schmerzarmen Geburten sprechen?
Das ist schade, denn das Wissen um schmerzarme Geburten kann eine wichtige Unterstützung dabei sein, sich zu öffnen für ein tiefes Vertrauen in den eigenen Körper und den Geburtsprozess.
Wir dürfen verstehen, dass wir nicht grundsätzlich falsch gebaut sind oder die Evolution einen Fehler gemacht hat, der dazu führt, dass die Geburt zu einem in jedem Falle medizinischen, sehr gefährlichen und immer extrem schmerzhaften Ereignis werden muss.
Natürlich gibt es Situationen, die medizinische Unterstützung sinnvoll und notwendig machen – sei es durch (zu) starke Empfindungen oder durch medizinische Gegebenheiten – und das Wissen um diese Sicherheit im Hintergrund kann uns dabei unterstützen, uns hinzugeben und zu öffnen. Beides brauchen wir in der Geburt.
Vertraue deinem Körper
Doch anzuerkennen, dass Geburten auch schmerzfrei bzw. schmerzarmarm sein können, erinnert uns daran, dass unser Körper grundsätzlich dafür ausgelegt ist, eine Geburt gut, sicher, und mit so wenig Unannehmlichkeiten wie möglich zu bewältigen.
Schmerzfreiheit nicht als Ziel
Gleichzeitig würde ich nicht empfehlen, sich das Ziel oder die Erwartung einer schmerzfreien Geburt zu setzen. Denn auch, wenn dies in Kombination mit einer entspannten, ruhigen Erfahrung immer wieder als Ziel genannt oder vermutet wird, kann diese Erwartung zu sehr viel Druck führen.
Es kann (manchmal ohne, dass wir es bewusst merken) eine Verknüpfung entstehen von „wenn ich Schmerzen verspüre, entspanne ich mich nicht genug/mache ich etwas falsch/habe ich es nicht geschafft“. Das sollte nicht passieren, denn dieser Schluss ist weder zutreffend noch hilfreich.
Geburt ist komplex!
Es gibt zahlreiche bekannte und unbekannte Faktoren, die unsere Schmerzwahrnehmung allgemein und speziell in der Geburt beeinflussen. Somit können wir keine einfache Verbindung von „Entspannung= Schmerzarmut/Schmerzfreiheit“ herstellen.
Einige dieser teils beeinflussbaren, teils nicht (vollständig) zugänglichen Faktoren und Themen können sein:
- Welche Voraussetzungen bringt mein Körper mit – hormonell, anatomisch, funktionell – z.B. die (Asymmetrie der) Muskelspannungen im Becken- und Beckenbodenbereich?
- Was bringt mein Kind mit, wie liegt es, welches Zusammenspiel entsteht zwischen den beiden Körpern?
- Wie tief sitzt meine Prägung wirklich, wie Geburt ist, sein sollte, sein darf?
- Was, wenn Geburten in meiner Familie und im Umfeld bisher überwiegend angsteinflößend, belastend, vielleicht traumatisch erlebt wurden? Habe ich die Erlaubnis, diese Linie zu durchbrechen und mit einer positiven Geburtserfahrung all das in Frage zu stellen? Wer bin ich, das zu tun?
Eine bestärkende Geburtserfahrung
Neben dem Anerkennen, dass wir uns diesen und weiteren Aspekte zwar zuwenden und sie bearbeiten und beeinflussen, jedoch niemals vollständig kontrollieren können, gibt es einen weiteren wichtigen Punkt, wenn wir uns fragen, ob eine angenehme, entspannte und schmerzarme/schmerzfreie Geburt möglich ist:
(Warum) sollten wir eine leichte und schmerzfreie Geburt überhaupt anstreben – ob mit Hilfe von Hypnobirthing oder anderen Wegen der Geburtsvorbereitung?
Viele Frauen berichten, dass sie gerade durch die Herausforderungen und intensiven Empfindungen in der Geburt sowie die Erfahrung der eigenen Kraft, die sie hindurchgeführt hat, mit einer neu gewonnenen Sicherheit über die eigene Stärke aus der Geburt gehen. Oftmals klingt ein Zustand von „mir kann keiner was“ noch lange nach.
Wichtiger ist, dass wir uns erlauben, mit allem zu gehen, was da ist -mit jeder Empfindung und jeder Wendung der Geburt, ebenso wie jeder Unterstützung, die möglicherweise gebraucht wird.
Jede Geburt ist individuell. Keine wird empfunden und erlebt wie die andere. Keines der Geburtserlebnisse ist besser oder schlechter, mehr oder weniger wert. Lasst uns sowohl die entspannte und schmerzarme Geburt als auch die sehr herausfordernde Geburt die Faszination für unseren Körper und unsere Kraft vertiefen.
Was ist dir wichtig?
Wenn wir schon ein Ziel formulieren wollen, würde ich dir folgende vorschlagen – such dir gern aus, was für dich wichtig und stimmig ist!
- Traumata vermeiden.
- Bestärkung erfahren.
- Die Geburt mit sich verbunden und dem Kind verbunden erleben.
- An die eigenen Ressourcen angebunden sein und sie in der Geburt nutzen können.
- Fokussiert, selbstbestimmt und gleichzeitig flexibel durch jede Phase der Geburt gehen.
- Sich gern und mit einem Gefühl der Bestärkung an die Geburt erinnern.
Ich wünsche dir aus tiefstem Herzen eine kraftvolle und für dich stimmige Geburtserfahrung!
Was du tun kannst
Wenn du in tiefem Vertrauen und innerer Sicherheit in die Geburt gehen möchtest – ausgestattet mit Wissen & Techniken, um mit allen Situationen und Empfindungen gut umgehen zu können – dann begleite ich dich gern auf diesem Weg.
Hier liest du, wie genau ich dich dabei an die Hand nehme:
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Bis bald und alles Liebe,
deine Solveig